In der Fotografie gibt es einige Faustregeln und Merksätze, die vor allem Neueinsteigern dabei helfen sollen, sich die wichtigsten Gestaltungsregeln und technischen Gesetzmäßigkeiten leichter zu merken. Einige davon sind sehr hilfreich, andere weniger. Aber in allen steckt ein wenig Wahrheit und sie sind oft das Ergebnis langjähriger Erfahrungen zahlloser Fotografen. Es schadet sicherlich nicht, sie zu kennen und zu wissen, was dahinter steckt. Denn erst wenn Du eine Regel kennst, kannst Du auch bewerten, ob sie für Dich und Dein konkretes Vorhaben sinnvoll und anwendbar ist. Spannende Bilder entstehen nämlich oftmals erst dann, wenn Regeln bewusst gebrochen werden. Die Betonung liegt hier auf dem Wort „bewusst“. Denn das macht letztendlich den Unterschied zwischen gewolltem Bruch mit den Regeln, um beispielsweise einen bestimmten Effekt zu erzielen, und einem zufälligen Glückstreffer.
Ich habe einmal die 10 bekanntesten Merksprüche zusammengesucht und werde Dir versuchen zu erklären, was jeweils dahinter steckt.
1. Sonne lacht – Blende acht

Die Blende im Objektiv Deiner Kamera steuert die Lichtmenge, die auf den Sensor beziehungsweise den Film fällt. Je weiter die Blende geöffnet ist, desto mehr Licht lässt sie durch. Ist viel Umgebungslicht vorhanden (zum Beispiel an einem sonnigen Tag), muss die Blende etwas geschlossen werden, damit das Bild nicht überbelichtet wird. Ist es dagegen eher dunkel, muss die Blende dementsprechend möglichst weit geöffnet werden. Ganz logisch eigentlich. Die Öffnung geschieht in festgelegten Stufen, die in Zahlenwerten angegeben werden. Dabei ist es vom jeweiligen Objektiv abhängig, welche Bandbreite Dir dabei zur Verfügung steht.
Wie diese Zahlenwerte zustande kommen, ist erst einmal nicht so wichtig. Du solltest Dir nur folgende Faustregel merken: Je kleiner die Blendenzahl, desto weiter ist die Blende geöffnet. Bei der in dieser Regel genannten Blendenzahl acht ist die Blende schon relativ weit geschlossen. Somit ist diese Einstellung ein guter Ausgangswert, wenn Du bei sonnigem Wetter draußen fotografieren willst. Zudem ist diese Regel auch sehr nützlich, wenn Du nicht mehr so genau weißt, ob eine große Blendenzahl nun eine offene oder geschlossene Blende bedeutet.
2. Die Mitte ist der Feind
Das kennst Du doch bestimmt auch: Unser erster Impuls wenn wir ein Foto machen ist, das Motiv möglichst in der Mitte des Bildes zu platzieren. Der Fokus des Betrachters wird ohne Umwege direkt darauf gelenkt und er erkennt sofort, was das Wichtigste in unserem Foto ist. Diese Fotografenregel möchte Dich aber dazu anregen, genau das nicht zu tun. Denn es wirkt einfach oft langweilig oder statisch, wenn das Hauptmotiv genau in der Bildmitte platziert wird. Stattdessen solltest Du ruhig einmal ausprobieren, das Motiv nach der Drittelregel oder dem Goldenen Schnitt auszurichten, um ein dynamischeres und interessanteres Bild zu erzeugen. Gleiches gilt übrigens auch für die Lage des Horizonts in der Landschaftsfotografie.
Warum ist die Mitte oft problematisch?
- Weniger Spannung: Wenn das Motiv mittig sitzt, fehlt dem Bild oft Tiefe und Spannung.
- Schwierigere Blickführung: Unser Auge wandert natürlicherweise durch ein Bild. Ein zentrales Motiv kann den Blick “festhalten”, statt ihn durchs Bild zu leiten.
- Unnatürlich für das menschliche Sehen: Unsere Wahrnehmung bevorzugt asymmetrische Anordnungen, weil sie natürlicher wirken.
Natürlich gibt es Ausnahmen, wie überall.

Beispielsweise bei Spiegelungen oder symmetrischen Motiven kann die Mitte sehr wirkungsvoll sein. Auch bei Portraits mit direktem Blickkontakt kann eine mittige Platzierung für Intensität sorgen.
Wird die zentrale Position des Motivs ganz bewusst gewählt, und das Bild dort herum komponiert, kann das Ergebnis sehr kraftvoll wirken.
3. Zwischen zwölf und drei hat der Fotograf frei

Eine meiner liebsten Regeln 😉 Wenn Du schon einmal versucht hast, in der grellen Mittagssonne Menschen zu fotografieren, wird den Sinn dahinter sehr schnell erkennen.
Wenn die Sonne richtig steil von oben scheint, bilden sich auf dem Gesicht der zu fotografierenden Person ziemlich hässliche Schatten, die sehr unvorteilhaft aussehen; vor allem unter den Augen (gerne auch „Pandaaugen“ genannt). Hat die Person zudem auch noch sehr ausgeprägte Augenhöhlen, erscheinen diese auf dem Foto dann nur noch als schwarze Löcher. Auch unter der Nase und dem Kinn bilden sich dunkle Schatten, die sehr unschön aussehen. Zudem wird die Person dazu neigen, die Augen zuzukneifen, weil sie von der hellen Sonne geblendet wird.
Ein erfahrener Fotograf kennt zwar Tipps und Tricks, um auch unter diesen Bedingungen noch ansprechende Bilder machen zu können. Trotzdem wird er in der Regel versuchen, die pralle Mittagssonne zu vermeiden.
4. Vordergrund macht Bild gesund

Diese Regel bezieht sich auf den Bildaufbau und kann Dir helfen, ein Foto interessanter zu gestalten. Ein Foto stellt eine dreidimensionale Szene zweidimensional dar. Die Kunst besteht nun darin, die Dreidimensionalität der Wirklichkeit auf auf dem Foto sichtbar zu machen. Das gelingt, indem die verschiedenen Objekte im Bild gestaffelt, das heißt in verschiedenen Entfernungen arrangiert werden. Man spricht dann vom Vorder-, Mittel- und Hintergrund.
Um dem Foto nun die gewünschte Tiefe zu verleihen, positionierst Du das Hauptmotiv am besten auf der mittleren Ebene. (Dazu gibt es übrigens auch einen Merkspruch: „Mittelgrund tut Inhalt kund.“) Platzierst Du nun einen weiteren Gegenstand oder eine Person in den Vordergrund, verleihst Du dem Bild dadurch Tiefe und lenkst den Blick zum Motiv. Die Dreidimensionalität wird dadurch sichtbar.
Ganz nebenbei: Jedes Bild hat zwangsläufig natürlich auch einen Hintergrund. Haben Mittel- und Hintergrund einen gewissen Abstand, sorgt auch er dafür, dass der Tiefeneindruck auf Deinem Foto verstärkt wird. Er sollte aber nicht zu sehr vom eigentlichen Motiv ablenken. Und – wie kann es anders sein – auch hierfür gibt es einen entsprechenden Merkspruch: „Hintergrund nicht kunterbunt.“
5. Schärfe dort, wo’s wichtig ist

Diese Regel ist tatsächlich schnell erklärt und eigentlich fast selbstverständlich. Sie besagt letztendlich nur, dass der Fokus, also der Schärfebereich, in einem Foto auf dem wichtigsten Element im Bild liegen sollte. Dazu musst Du Dir natürlich erst einmal überlegen, was denn dieses wichtigste Element ist. Bei einem Portrait beispielsweise sind es meistens die Augen (beziehungsweise, um ganz genau zu sein, das Auge, das der Kamera am nächsten ist.)
Setzt Du den Fokus gezielt ein und lässt beispielsweise den Hintergrund unscharf werden (Stichwort Bokeh), lenkst Du den Blick direkt auf das Motiv. Denn das Auge sucht sich automatisch den Schärfebereich auf dem Foto und identifiziert ihn als das wichtigste Element.
6. Weniger ist mehr

Dieser Tipp gilt sicherlich nicht nur für die Fotografie, hier aber vielleicht ganz besonders.
Auch hier geht es um einen Bildaufbau, der Dein Foto interessanter machen kann. Konzentriere Dich bei der Bildgestaltung auf das Wesentliche. Was willst Du zeigen, was ist wichtig und was ist lediglich Beiwerk, das man auch weglassen kann? Zu viele Details oder Objekte im Bild lenken ab und lassen das eigentliche Motiv untergehen. Eine minimalistische Bildkomposition ist oft wesentlich wirkungsvoller und ausdrucksstärker.
7. Drei ist harmonisch

Diese Fotografenregel bezieht sich auf eine ästhetische Kompositionsregel in der Fotografie (und oft auch in Kunst und Design). Sie basiert auf der Idee, dass Dinge in Dreiergruppen für das menschliche Auge besonders angenehm, ausgeglichen und harmonisch wirken.
Grundsätzlich gilt das für jede ungerade Zahl an Objekten, zumindest solange es sich um eine überschaubare Menge handelt. Allerdings spielt die Zahl 3 hier eine besondere Rolle. Dafür gibt es mehrere Gründe:
- Visuelle Balance: Drei Elemente schaffen eine gute Balance – weder zu wenig noch zu viel.
- Asymmetrische Spannung: Eine ungerade Zahl (wie 3) wirkt dynamischer und spannender als gerade Zahlen (wie 2 oder 4), die oft zu symmetrisch und damit statisch wirken.
- Einfach und merkbar: Drei ist leicht zu erfassen, aber komplex genug, um interessant zu sein.
Hast Du eine größere Anzahl an Objekten, die Du auf dem Foto abbilden willst, kannst Du sie so platzieren, dass sie als zusammengehörige Gruppe von jeweils drei wahrgenommen werden.
8. Rechts geht’s lang

Hierbei handelt es sich um einen eher umgangssprachlichen Merksatz aus der Bildgestaltung – und sie spielt auf die natürliche Blickrichtung des Betrachters an.
Was heißt das? Die Regel basiert auf der Tatsache, dass Menschen (besonders im westlichen Kulturkreis) Texte von links nach rechts lesen. Das überträgt sich oft auch auf die visuelle Wahrnehmung: Unser Blick wandert automatisch von links nach rechts durchs Bild.
Was bedeutet das jetzt für Deine Fotografie?
- Eine Bewegung oder Blickrichtung nach rechts wirkt für uns „natürlich“, „nach vorne gerichtet“ oder „stimmig“.
- Bilder mit offener Fläche auf der rechten Seite geben Raum für „Weitergehen“, „Weitblick“ oder „Zukunft“.
- Wenn sich das Motiv nach rechts bewegt oder schaut, folgen wir dem Blick leichter.
9. Unterm Knie schneide nie


Diese Fotografenregel ist ein Merksatz aus der Porträt- und Ganzkörperfotografie, der sich auf das Abschneiden von Körperteilen bei der Bildkomposition bezieht. Vor allem bei der Nachbearbeitung kommt es immer wieder vor, dass der Bildausschnitt neu festgelegt und das Foto beschnitten werden muss. Dabei kann es schnell passieren, dass die Person danach unvorteilhafter wirkt, weil wir an einer ungünstigen Stelle geschnitten haben. Vor allem an den Beinen sollte dies mit Bedacht und Augenmaß geschehen.
Konkret heißt das: Vermeide es, eine Person direkt unterhalb der Knie abzuschneiden, also irgendwo im Bereich der Unterschenkel oder Knöchel. Das sieht oft ungünstig oder unnatürlich aus, weil die Proportionen des Körpers dadurch verzerrt werden. Schneidest Du jedoch höher, oberhalb des Knies, sieht das Ergebnis gleich wesentlich harmonischer aus.
10. Das beste Equipment ist das, das du dabei hast

Vielleicht ist das die beste – und zudem einfachste und kürzeste – Regel überhaupt.
Es nützt Dir nichts, eine supertolle Hightech-Kamera zu besitzen, wenn Du sie bei Dir zuhause im Regal steht und Du ein tolles Motiv siehst und das Foto Deines Lebens machen kannst. Eine gute Kamera ist nicht alles – viel wichtiger ist, den richtigen Moment zu erkennen und einzufangen, egal mit welchem Gerät. Das kann dann auch die Handykamera oder die einfachste Knipskiste sein.
Das waren sie, die 10 aus meiner Sicht wichtigsten Faustregeln für alle, die beginnen, sich intensiver mit der Fotografie zu beschäftigen. Ich muss sagen, dass ich sie gerade zu Anfang sehr hilfreich fand und ich mir bei der einen oder anderen Regel im Nachhinein gewünscht habe, dass ich sie bereits früher gekannt hätte.
Kennst Du noch weitere fotografische Faustregeln, die Du hilfreich findest? Oder bist Du der Meinung, dass die eine oder andere der genannten Merksätze überhaupt nicht passen? Dann schreib es mir gerne in die Kommentare!
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